
Erst heute morgen haben wir so richtig wahrgenommen, wo uns der Fahrer gestern Abend hingebracht haben. Ein wunderschönes Fleckchen mit Blick auf den Victoriasee. Der gelbe Jeep, der uns in die Karibu Lodge brachte, hatte schon gestern so einige Probleme, heute morgen wurde er erstmal gründlich unter die Lupe genommen und ein Getriebeschaden repariert. Ich war ehrlich froh, als mir unser Fahrer grinsend mitteilte, dass dieser Wagen NICHT unser Safari-Fahrzeug werden würde 🙂
Nach einem ausführlichen Frühstück brachte er uns nach Kampala, wo Christophs Jüngste, Meike, seit August ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Seit 5 Monaten lebt sie inzwischen hier und bis sie uns im Hotel in die Arme fiel, hatte ich nicht wirklich eine Vorstellung davon, mit welcher Selbstverständlichkeit sie dieses völlig andere Leben angenommen hat. Sie bewegt sich im Strassenchaos, das eher lehmigen Pisten gleicht, wie ein Fisch im Wasser. Es ist schön zu sehen, dass es ihr hier so gut geht.


Nachdem sie uns kurz auf den aktuellen Stand gebracht hat, machten wir uns zu Fuß auf den Weg in „das Center“, Meikes Arbeitsplatz. Wäre es nach ihr gegangen, wären wir alle mit Motorradtaxis, sogenannten „Bodas“ gefahren. Mein, in der Familie gut bekannter, Vorbehalt gegen motorisierte Zweiräder konnte diesen Plan – zumindest vorläufig – verhindern. Bis ich auf eins dieser Dinger steige, muss ich noch sehr viel Vertrauen fassen :-)). Schon auf der Fahrt nach Kampala hatte wir an diversen Ecken Gruppen junger Männer gesehen, die auf ihren Mopeds „rumlungerten“ und ich hatte die naive Vorstellung, dass sich die Jungs halt zum Plaudern und Posen versammeln, jetzt weiss ich, sie alle warteten auf Kundschaft.

„Das Center“ ist die Sosolya Dance Academy. In zwei eingeschossigen Häusern links und rechts eines lehmigen Wegs, mitten in einem Stadtteil, der auf uns wirkt wie ein Armenviertel, leben dort rund 50 Kinder und Jugendliche. Die Lebensgeschichten dieser Kinder sind unterschiedlich, nur eins verbindet sie alle: Dort, wo sie herkommen, könnten sie nur mit Mühe überleben. Bei Sosolya finden sie ein Zuhause, bekommen regelmässig etwas zu essen und die meisten besuchen jetzt eine Schule. In ihrer Freizeit werden sie in Tanz und Schauspiel ausgebildet. Inzwischen ist Sosolya so bekannt, dass unterschiedliche Gruppen des Centers auf Tournee gehen, quer durch Afrika und sogar nach Europa und China. Das Projekt lebt ausschliesslich von Spenden und eigentlich fehlt es ständig an allem.

Also, wer was übrig hat, und sei es ein 50,- Euro-Schein: Das Geld ist hier gut angelegt und ich nehme jede Spende gerne in Empfang!!
Bei unserer Ankunft wurden wir von gefühlt 50 Kindern mit Handschlag und/oder Umarmung herzlich und wie alte Bekannte begrüßt. In einem wilden Gewusel begleiteten sie uns auf den Hof, der gleichzeitig als Probenbühne dient. Auf dem kurzen Rundgang durch die wenigen Räume wurde uns noch mal deutlich, wie wenig diese Kinder haben, um „glücklich“ zu sein. Für mehr als 50 Kinder stehen 5 Schlafräume zur Verfügung, die Stockbetten – manche ohne Matratzen – fassen nicht alle Kinder, einige müssen auf dem Betonboden schlafen.
Es ist mir schwergefallen, diese Lebensumstände zu sehen und mir gleichzeitig bewusst zu machen, dass es diesen Kindern im Verhältnis zu vielen anderen auf diesem Kontinent gut geht. Ihre Fröhlichkeit und Freundlichkeit hat mich fast beschämt, weil mir nochmal so deutlich wurde, mit wieviel Selbstverständlichkeit wir unser Leben leben und trotzdem so oft so unzufrieden sind. Ich werde jetzt nicht in das alte Lied einstimmen, dass wir unser Leben nicht in vollen Zügen geniessen dürfen, ich wünsche mir nur für mich selbst, dass ich ein bisschen mehr Demut in meinen Alltag in Deutschland retten kann. Nicht mehr und nicht weniger!



Wir hatten das große Glück zuerst eine ausführliche Probe des aktuellen Theaterstücks miterleben zu dürfen und ich war wirklich beeindruckt mit wieviel Ernsthaftigkeit und Engagement diese Kinder agieren. Lange Texte, auswendig gelernt und auf englisch und das nicht aufgesagt, sondern mit Inbrunst vorgetragen. Dazu mitreißende Tanzchoreographien, die schon von den Kleinsten mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit ausgeführt werden.
Anschließend hat Meike mit uns einen Imbiss in der Nachbarschaft besucht, um Christoph ein „Rolex“ zu kaufen. Nicht etwa eine gefälschte Uhr, sondern einen warmen Maisfladen, gefüllt mit einer Art Tomaten-Rührei. Und es hat ihm – natürlich – bestens geschmeckt 🙂

Absoluter Höhepunkt unseres heutigen Besuchs bei Sosolya war eine Tanzperformance der Jugendlichen, die extra für uns aufgeführt wurde. En zwanzigminütiges farbenfrohes Feuerwerk, das uns alle sprachlos zurückließ. Und das nicht nur wegen der großartigen Tänzer und Tänzerinnen, sondern auch wegen der kraftvollen Musik, die auf Instrumenten gespielt wurde, von denen wir bis heute nie gehört hatten. Kein Photo kann die Energie transportieren, die wir heute erleben durften, trotzdem zum Abschluss ein paar Eindrücke:














Und zum Abschluss jeden Tages stellen sich alle im großen Kreis auf und singen vierstimmig. Mehr geht nicht!
Und wir sind jetzt schon verliebt in diese Menschen hier!



Hallo, Ihr Lieben. Wir verfolgen Eure Berichte und Erlebnisse mit großer Spannung und bei aller gebotenen Nachdenklichkeit auch mit Vergnügen. Von wem hast du nur die vortreffliche Fähigkeit, die Dinge wohlformuliert und mit Tiefe in Worte zu fassen? Bin stolz auf Dich… Und natürlich auch auf alle von Euch, die ihr diese Reise in Angriff genommen habt. Dazu schöne, eindrucksvolle Fotos und viele Infos, die für uns neu sind. Passt weiter gut auf Euch auf, genießt die Zeit und das Erlebte. Ab morgen lese ich das aus Detroit, dort soll es wieder richtig kalt werden. Liebe Grüße von Peter und auch von Micky
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