Neuseeland 2019 – Ab in den Westen….und den Norden…

Der unverstellte Blick auf den See, direkt aus dem Bett, ist ein großartiger Start in den Tag. Nur die zahllosen Stiche an Händen und Füssen vermiesen uns ein kleines bißchen diesen ansonsten perfekten Morgen. Die Mistbiester sind bereits unterwegs und haben es erneut auf uns abgesehen. So direkt an einem See UND einem Fluss ist das vielleicht auch kein wirklich großes Wunder.

Wir brechen zeitig auf, schließlich haben wir mittags noch einen Termin bei der Niederlassung unserer Wohnmobilvermietung. Die Batterie unserer fahrenden Zwergwohnung ist immer leer, sobald man nur für ein paar Minuten das Licht oder die Wasserpumpe anmacht. Das kann so nicht richtig sein?! Ausserdem haben wir gestern spitzgekriegt, dass sich unsere Fliegentür nicht schliessen läßt, wir sind uns aber heute sicherer denn je, dass wir diese noch brauchen werden.

Nach gut einer Stunde ist die Batterie getauscht und die Tür, sowie ein paar andere Kleinigkeiten „repariert“.

Wir wollen den Süden heute verlassen und auf der Westseite gen Norden weiterreisen. Der Tag wird lang, wir werden reichlich Kilometer fressen. Reichlich, das heisst übrigens rund 250 Kilometer :-)). Die Gründe für diese – aus europäischer Sicht – merkwürdig anmutenden Entfernungseinschätzungen sind mehrschichtig. Erstens: wir DÜRFEN mit unserem Wohnmobil nur 90 km/h fahren. Zweitens: wir KÖNNEN eigentlich nie 90 km/h fahren, weil fast alle Straßen zwar ordentlich ausgebaut, aber lediglich zweispurig und extrem kurvig sind. Und drittens: Wir sind so fasziniert von diesem Land, dass wir alle paar Minuten anhalten MÜSSEN um, wahlweise, Fotos zu machen, einen kurzen Walk – wohin auch immer (Bevorzugt Wasserfälle oder Aussichtspunkte) zu unternehmen, oder aber in einem Café oder an einem mobilen Kaffeestand, irgendwo im Nirgendwo, einen Capuccino zu trinken. Ergebnis: für 250 Kilometer sind wir – glücklich und gut gelaunt – gerne mal 5 – 6 Stunden unterwegs.

Heute haben wir uns als Ziel einen DOC-Campingplatz am Haast-Pass ausgesucht. Kaum haben wir Queenstown hinter uns gelassen, erreichen wir Central Otago. Die Region ist uns schon von einigen Weinflaschen gut bekannt:-) und so sind wir auch wenig verwundert, als wir in der hügeligen Landschaft links und rechts der Strasse vor allem Weinstöcke, soweit das Augen reicht, sehen. Alle paar Kilometer weist ein Schild auf eine „Winery“ hin, viele bieten Weinproben und noch mehr Direktverkauf an. Einige offerieren ausserdem auch Käse, und einer sogar Bier!

Die Kombination weckt unser Interesse und so beschliessen wir, genau dort zu halten. Von der Strasse weniger als einen Kilometer entfernt, steht zwischen den ordentlichen Reihen von Reben, ein altes Holzhaus, freundlich hellgelb gestrichen und ähnelt eigentlich einer Kirche. Auf dem gekiesten Hof davor unter Sonnenschirmen sitzen einige Grüppchen von Gästen. Eine Gruppe junger Leute probiert die hauseigenen Craft-Biere und spielt zwischendurch auf der Wiese Crocket, die anderen probieren sich durch die Weinauswahl und essen nebenbei verführerisch duftende Pizzen.

Hätten wir nicht gerade erst etwas gegessen und hätten wir nicht vor, heute etwas Strecke zu machen, würden wir hier ganz sicher versacken :-). Die Atmosphäre dieses kleines Weingutes ist so charmant, dass es schwer fällt, wieder abzufahren. Genau das tun wir jedoch, aber erst nachdem wir noch eine Flasche des Hausweins und ein Probier-Six-Pack der angeschlossenen Brauerei gekauft haben. Das kleine einladende Gebäude sieht übrigens nicht nur aus wie eine Kirche, es IST eine ehemalige Presbyterianer- Kirche, die lange ungenutzt herumstand, bis zur Jahrtausendwende, als das Weingut sie in einen Verkostungsraum umfunktionierte.

Wer in diesem Tal nicht leckere alkoholische Getränke braut oder keltert und verkauft, „macht“ in Obst. Die Region ähnelt dem kanadischen Okanagan-Valley. Überall werden an der Strasse die Früchte direkt angeboten: Aprikosen, Pfirsiche, Nektarinen, Äpfel, Birnen und im Moment besonders reichlich Kirschen. Natürlich decken wir uns ein mit Kirschen, aber auch mit Aprikosen. Wer mich kennt, weiss, dass ich getrocknete Aprikosen liebe. Die hiesigen sind kleiner, fester und saurer, also genau nach meinem Geschmack! Apropos Obst: Mal abgesehen vom Supermarkt ist mir auf dieser Reise noch keine Kiwi begegnet!! Weder am Baum, noch an einem Obststand an der Strasse!? Ich dachte, die gäbe es hier ständig und überall??

Auf das Obstanbaugebiet folgt eine kargere Landschaft. Ebenso hügelig, aber weniger grün, ausgedehnte, aber leicht vertrocknete Steppen, auf denen mal wieder Kühe und Schafe weiden, bevor es dann wieder steiler und gebirgiger wird.

In der Ferne sehen wir bereits erneut die schneebedeckten Gipfel aus dem Landesinneren. Die Landschaft wird langsam wieder grüner und die Bäume höher. Türkisfarbene Flüsse reihen sich an ausgedehnte klare Seen. Und auch wenn wir genau das schon so oft auf dieser Reise bewundert haben, wir können uns daran nicht sattsehen.

Wir machen einen kurzen Zwischenstopp, mal wieder ist es ein Wasserfall, den ein Schild an der Strasse ankündigt. Wir müssen nur 10 Minuten gehen, dann stehen wir im breiten Kiesbett eines Flusses. Wenn hier im Winter die Schneeschmelze die Wassermengen vervielfacht, ist es sicher ein reißender Strom. Heute ist es Idylle pur und Dank seiner Steine ein besonderer Ort. Denn überall haben Besucher die flachen runden Steine zu kleinen Türmen aufgebaut. Ich glaube, ich habe mal davon gehört, dass Ähnliches in Teilen Norwegens Tradition hat. Welchen Hintergrund die kleinen Türme auch haben mögen, sie wirken gleichermaßen verspielt und irgendwie mystisch. Ob die, die irgendwann damit angefangen haben, wissen, welchen Stein sie damit im wahrsten Sinne des Wortes „ins Rollen gebracht haben“?

Mein Türmchen ist der Erwähnung kaum wert. Mir gelingt es gerade mal 7 oder 8 Steine aufeinander zu stapeln, aber so ganz kann ich mich dem Türmchenkult nicht entziehen:-)).

Am frühen Abend erreichen wir unseren Übernachtungsplatz und haben Glück, denn die Stellfläche für Camper ist fast voll. Wir ergattern noch einen, besonders schönen Platz. Vor unserem Womo können wir den Tisch, wie auf einer kleinen Terrasse aufbauen, gleich dahinter fliesst kräftig plätschernd ein eiskalter Gebirgsbach, der am Ende des Campingplatzes in einen großen See fliesst.

In diesem See springt ganz sicher die Forelle herum. Ein junger Mann der mit seinem Boot kurz anlegt, verrät uns, dass er am anderen Ende des Sees heute schon große Forellen gefangen hat. Christoph sieht – leider völlig zu Recht – seine Chancen nicht zum Besten bestellt, denn auf unserer Seite geht es flach hinein, zu flach für den Fisch. Wir gehen trotzdem samt Angel los und gucken nach einem Plätzchen, wo sich wenigstens der Versuch lohnen würde. Nach einer guten halben Stunde, die ich lesend im Campingstuhl verbringe, gibt Christoph auf. Zu den wenig guten Rahmenbedingungen hat sich nun auch noch die Dunkelheit gesellt. Da beißen Fische nichts, weil sie, wie wir auch, nicht genug sehen, also auch nicht unsere Köder.

Mit der Orientierung eindeutig keine Probleme haben auch heute Abend die Moskitos und Sandflies. Sie sind wieder reichlich und gefräßig unterwegs. Jetzt weiss ich auch, warum das schöne Plätzchen, direkt am Bach noch frei war. Ich packe mich deshalb ein, wie im tiefsten Winter. Die Hose steckt in den Stiefeln und ich hoffe, dass die Mütze wenigstens Kopf und Ohren vor weiteren Stichen schützt. Die Temperaturen machen heute eine solche „Verkleidung“ eigentlich nicht nötig. Es ist ein lauer Abend und nicht zu übersehen, dass wir uns dem wärmeren Norden nähern.

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