Vietnam 2024 – Keine wilden Tiere, dafür aber echter Regen-Regenwald

Unser heutiges Ziel ist Cuc Phuong, Vietnams ältester Nationalpark. Eingerichtet wurde er 1962, also mitten im Vietnamkrieg. Erstaunlich, dass man hier in so einer Situation auf die Idee kommt, einen Park zum Schutz von Natur und Tierwelt einzurichten: Man kann es aus heutiger Sicht kaum glauben: Artenschutz war ein spinnertes Ansinnen für fast die gesamte Menschheit, der Club of Rome für fast alle ein Depressiventreffen, „Welterbe“ noch kein Marketinginstrument für Tourismus in Vietnam, und der kommunistische Norden Vietnams hatte mehr Probleme vor sich als hinter sich – aber man hatte einen Sinn für die Gefährdung, den Erhalt und den Genuss eines besonders schönen Stückes Natur in einem Land, das davon soviel hat – Respekt für Onkelchen Ho.

Cuc Phuong ist rund 50 Kilometer von Tam Coc entfernt, man ist also ein Weilchen unterwegs. Die Karstlandschaft mit ihren grün bewachsenen Kegeln endet abrupt, stattdessen führt unsere Fahrt vor allem durch Reisanbaugebiete. Ein Feld neben dem anderen, dazwischen immer wieder Friedhöfe. Mitten im Reisfeld, in kleine Mauern eingefasste, imposante letzte Ruhestätten mit mindestens einem, häufig aber auch mehreren Schreinen, aufwendig verziert und aus dunkelgrauem Stein. Entlang der Straße sehen wir immer wieder Steinmetzbetriebe, die anscheinend nichts anderes herstellen als diese Grabstätten, und auch an den Landstraßen liegen plötzlich und unvermittelt große graue zugeschnittene Steinplatten, teilweise bereits verziert, als sei der hier beschäftige Steinmetz nur mal kurz ums Eck gegangen.

Am Haupteingang des Nationalparks kaufen wir unsere Tickets für einen echten Spottpreis. Umgerechnet 8 Euro pro Person zahlen wir für Parkbesuch und die drei Rescue-Stationen, die sich ebenfalls auf dem Gelände befinden. Auf einer schmalen Teerstraße, auf der wir nur ein Auto treffen, geht es 20 Kilometer weit ins Parkinnere. Auf dem Weg immer wieder Hinweisschilder, die zu „Ancient Trees“ führen. Vielleicht später?

Die meisten Bereiche des Parks kann und darf man zu Fuß erschließen, nur wer deutlich tiefer hinein will, ist auf einen Guide angewiesen, dort im Nordwesten soll es vereinzelt asiatische Schwarzbären und Nebelparder geben.

Wir entscheiden uns für eine rund 2,5-stündige Rundwanderung durch den tropischen Regenwald. Ich fühle mich im ersten Moment erinnert ans Vallee de Mai auf den Seychellen. Es ist beeindruckend, wie viele verschiedene Grüntöne und Formen die Natur zustande kriegt, vom hellen Grasgrün bis zum fast bräunlichen Dunkelgrün ist alles dabei. Und wieder umhüllt uns dieser feine Nebel. Alles erscheint wie durch einen dünnen Schleier, das Licht bricht fahl, der Nebel taucht alle Farben in Pastell. Es ist mild, nicht warm, aber gut erträglich, um den nicht ganz mühelosen Aufstieg zu bewältigen, auch wenn die Luftfeuchtigkeit extrem und die Haut dadurch fast nass erscheint.

Besonders beeindruckend und hier ganz anders, als wir es bisher kennen, sind die extrem hohen und kräftigen Bäume und so begrenzt sich das undurchsichtige Dickicht auf den Bodenbereich; wenn nach oben oder in die Ferne schaut, kann man überraschend weit gucken.

Einem der sogenannten „Ancient Trees“ begegnen wir auf unserer Tour. Um ihn zu umfassen bräuchte es mindestens eine Großfamilie. Er ist mehrere hundert Jahre alt und wirkt nicht nur „unkaputtbar“ und mächtig, sondern irgendwie auch „weise“. Wieder einmal fällt uns auf, wie klein wir Menschen doch sind, zumindest verglichen mit dem, was uns umgibt und was wir mehr oder weniger verantwortungsbewußt „beherrschen“.

Obwohl wir das ein oder andere Mal leise über unseren aktuellen Fitness-Zustand fluchen, genießen wir diesen Ausflug in diese wilde Schönheit der Natur.

Einzig unsere Hoffnung, Tiere zu sehen, wird enttäuscht. Wie wir später erfahren, ist es sehr schwer Languren in der freien Wildbahn zu entdecken und bei einem Spaziergang, bei dem man sich, wenn auch leise, unterhält, praktisch unmöglich. Wir können das Pfeifen, Zwitschern, Kreischen, Gurren und „Tuten“ der unterschiedlichsten Vögel hören, doch die Höhe der Bäume verhindert, das wir sie auch sehen. Und so bleiben uns als tierische Erfahrungen bis dahin Christophs flüchtige Begegnung mit einer Art Eichhörnchen, zwei Pfaue auf dem Dach des Rangergebäudes und ein großer unbekannter Käfer auf dem Boden des Parkcafés.

Wobei, eine Begegnung mit Tieren hatte ich doch, unfreiwillig und etwas eklig. Irgendwo auf unser Tour haben mich zwei Viecher „in Beschlag genommen“. Und als ich bei einer kurzen Pause mir den vermeintlichen Matsch vom Fußgelenk wischen will und mich erstmal nur wundere warum dieser aussieht und sich auch anfühlt wie eine kleine Nacktschnecke, wird mir beim Versuch ihn abzuwischen plötzlich klar, was das da an meinem Fuß ist: Blutegel! Ich quietsche einmal kurz hysterisch und reiß mir die Mistviecher dann von der Haut. Zurück bleiben zwei blutende Löcher, ein schmerzhaftes Gefühl und dann auch noch der Schreck. Der Weg zurück ist deshalb weniger entspannt für mich. Ständig überprüfe ich, ob auch wirklich nirgendwo an meinem Körper weitere Egel sitzen. Und das mir, wo ich sowieso mit krabbelndem und kriechendem Viechzeug deutlich weniger entspannt bin als Christoph.

Unsere nächste Station ist das „Endangered Primate Rescue Center“ in der Nähe des Parkeingangs. Vor ziemlich genau 30 Jahren wurde das Center gegründet und seitdem intensiv von den Zoos in Frankfurt und seit kurzem auch Leipzig unterstützt. Praktisch alle Affenarten in Vietnam sind massiv gefährdet. Noch immer werden sie für traditionelle Medizin gejagt und teilweise auch schlicht gegessen. Das ist zwar strikt verboten, findet aber weiterhin statt und so bemüht sich das Zentrum, neben der Rettung der Tiere vor allem um Erziehung und Aufklärung. Außerdem züchten sie die verschiedenen Affenarten, um sie zu erhalten und auszuwildern. Letzteres ist besonders schwierig bei Tieren, die als Haustiere in Gefangenschaft gehalten wurden. Sie können sich weder selbst Nahrung besorgen, noch sich „affenartig“ fortbewegen, also von Ast zu Ast schwingen, klettern oder ähnliches. Einige dieser Primaten können leider nie wieder ausgewildert werden.

Alle Gehege sind sauber und gepflegt, trotzdem tut es weh, diese Tiere hinter Maschendrahtzaun statt in der Natur zu sehen. Zum Rescue-Center gehört auch ein eingezäuntes Waldstück, in dem die Affen zwar weiter betreut und überwacht werden können, nicht aber in Käfigen eingesperrt sein müssen. Wer es dorthin schafft, hat auch eine Chance auf baldige Auswilderung und so lassen wir uns besonders viel Zeit, den Languren und Gibbons hier zuzusehen. Bitter, das solche Rettungszentren noch immer notwendig sind und gut, dass es sie gibt (falls noch jemand eine Charity-„Geldanlage“ braucht, man kann für das EPRC auch spenden oder Patenschaften übernehmen http://www.eprc.asia)

Die zwei weiteren Rescuecenter für Schildkröten einerseits und Pangoline und Hundeartige andererseits in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Primaten können wir aus Zeitgründen nicht mehr besuchen, weshalb für Christoph schon jetzt klar ist, dass wir wiederkommen müssen 🙂

Nach diesem langen Tag an der frischen Luft und mit reichlich Gekraxel ist die Müdigkeit und der Hunger groß, sodass wir uns zu einem frühen Abendessen in Tam Coc entschließen.

Dank Tripadvisor haben wir eine Restaurantempfehlung für das Hoang Cuisine Restaurant, das zwar nicht besonders „Cosima“, aber lecker sein soll – beides stimmt! Da es aber bei Tripadvisor nicht nur aufgeführt, sondern auch bestens bewertet ist, sind wir nicht die einzigen europäischen Touristen, die sich hier einfinden. Rund um uns herum ein lustiges Sprachengewirr, Französisch, Englisch, Spanisch und direkt neben uns zwei junge deutsche Backpackerinnen, die sich anscheinend erst kurz zuvor kennen gelernt haben.

(SPOILERALARM!!!! Christophs Lieblingsanekdote für Januar mindestens!!) Ihr Gespräch ist so engagiert und dementsprechend laut, dass ich wirklich keine Chance habe, nicht mitzuhören. Irgendwann erzählt die eine der anderen, dass es in Vietnam üblich sei, dass Kinder und Jugendliche Touristen ansprechen würden, um ihr Englisch zu trainieren. „Stimmt.“, denke ich und erinnere mich an unsere letzte Vietnamreise. Und dann erzählt sie ihrer Mitreisenden, dass sie sich deshalb auf diese Begegnung vorbereitet hätte, in dem sie einen kurzen Vortrag zu Vegetarismus und dazu auch einen Vokabelzettel vorbereitet hätte. Ich kann mich kaum halten vor Lachen und denke an die Kinder, die wir auf unserer letzten Reise getroffen haben. Wie hätten die gestaunt, wenn ich ihnen erst einen Vortrag und dann einen Vokabelzettel unter die Nase gehalten hätte. 😂😂😂😂

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