Vietnam 2024 – Was wäre ein Leben ohne Tickets, ohne warmen Regen und vor allem ohne unzählige Vögel?

Dass es in der Gegend um Nimh Binh häufig neblig ist, wussten wir. Das es heute schon früh morgens wie aus Eimern schüttet, hatten wir nicht erwartet und es wäre auch nicht nötig gewesen. Aber was soll‘s! An unserer Freude hier zu sein, ändert das nichts.

Mit ein bißchen Jetlag in den Knochen geht es zum Frühstück und damit zur ersten vietnamesischen Suppe dieser Reise. Christophs Rekord liegt, wenn ich mich richtig erinnere, bei dreimal Pho Bo am Tag.

Auch nach dem Frühstück regnet es, sogar noch kräftiger und deshalb verschieben wir unsere Pläne um ein paar Stunden und holen noch etwas Schlaf nach.

Mittags hat der Regen nachgelassen. Dicke graue Wolken hängen über dem Tal, aber es ist warm genug für eine kleine Radtour (Anm. Christoph: Räder gibt´s am Hotel, ohne Licht und kaum Bremsen. Da aber viele Roller auch ohne Licht unterwegs sind, fühlt man sich etwas weniger schlecht. Der Zustand der Bremsen hat Sandra schon laut über eine Rollertour nachdenken lassen – wer sie kennt, weiß, was das bedeutet.) Unser Ziel ist Thung Nham, eine noch recht junge Eco-Tourism-Einrichtung. Erst vor 20 Jahren wurde der Park eröffnet. Zu ihm gehören mehrere Höhlen, Reisfelder, Blumen- und Orchideen-Plantagen, Gemüseanbau und ein Vogelschutzgebiet.

Bei Nieselregen ist dort erwartungsgemäß nicht viel los, trotzdem ist den Beschäftigten extrem wichtig, alle Ticketkontrollen akribisch durchzuführen. Am ersten Tor kaufen wir die Tickets, am zweiten, wo wir unsere Räder parken, werden diese kontrolliert. Da wir dort aber ein weiteres Ticket für den Transport innerhalb des Parks erstehen, wird die Parkticketüberprüfung anschließend erneut durchgeführt. Und natürlich schaut sich auch der Fahrer das Transportticket nochmal an, bevor ein anderer es mit einer klassischen Schaffnerzange markiert. Dabei sind aber alle so freundlich und zugetan, dass das ganze Procedere zwar überflüssig, aber trotzdem nett und bemüht wirkt.

Unser erster Halt ist an der Höhle Buddhas, auch hier wird erneut das Ticket kontrolliert, dann aber geht es fix. Schwimmweste an, ab aufs Boot einer sehr resoluten älteren Frau und schon wird losgerudert in die Höhle. Nur in Sachen Ticket ist sie unzufrieden mit mir. Ich habe die beiden Papierzettel neben mich auf den Sitz gelegt, dieser Frevel ist ihr sofort aufgefallen und mit einem mehrfachen „Madame, Tiiiiiickääääät“ fordert sie mich unmissverständlich auf, die Tickets besser zu verstauen. Ich mache, was ich in solchen Gelegenheiten immer mache, ich übergebe Christoph die Tickets und damit die Verantwortung! Von wegen, auch er verstaut sie nach Meinung unserer Bootsführerin nicht sicher genug. „Madame, Tiiickääät“ – so oft, bis Christoph sie mir zurückgibt und ich sie endlich ordnungsgemäß in der Tasche verstaue. Dann ist Ruhe!

Aber nur für ein paar Minuten, denn mit Einfahrt in die Höhle nimmt die Dame erneut ihren Job sehr ernst und so hören wir in der nächsten halbe Stunde während sie uns schlafwandlerisch sicher durch die Höhle rudert, alle paar Minuten die gleichen zwei Wörter: „Madame, Foootoooo!“. Dazu leuchtet sie alles Sehenswerte kurz an, denn rundherum ist es stockduster. Lediglich ab und zu ein anderes Boot blendet uns kurz mit seinen Taschenlampen. Und das, obwohl ich zumindest zu Beginn der Tour gar keine Kamera zur Hand habe. Christoph sitzt vorne und fotografiert, fleißig und wann immer unsere Führerin es einfordert. An der Decke der flußbreiten Höhle glitzern immer wieder kristalline Formationen, sie sehen aus wie kleine scharfe Zähnchen, andere wirken wie aufgeschüttelte Bettdecken und dazwischen hängen kleine Fledermäuse schlafend an der Decke. Gestört wird die Stille nur immer wieder von „Madame Foootoooo“. Doch auch trotz dieser Kommandos sind unsere Fotos eher bescheiden, in dunklen Höhlen fotografieren ist eher etwas für Spezialisten 🙂

Die nächste Station unseres Parkrundgangs führt uns an einen großen See und so sind auch die Ruderboote etwas größer. Diesmal geht es in ein Naturschutzgebiet, in dem zahlreiche Vögel leben sollen und gerade am Nachmittag sei dort viel los, hatte uns unsere Rezeptionistin im Morgen verraten. Mit einem selfiesüchtigen sehr jungen chinesischen Paar und zwei schweigsamen Franzosen an Bord werden wir über den See gerudert.

Über uns fliegen die ersten großen Vögel. Es sind Reiher und vor allem Störche. Irgendwann geht es durch eine Enge, umgeben von hohen Felsen. Dahinter erwartet uns nicht nur ein runder weiterer See mit einer Insel in der Mitte, sondern der wirklich beeindruckende Anblick von tausenden junger Störche, verschiedener Reiherarten und Kingfisher. Die anderen Vogelarten kenne ich nicht, aber sie runden das Naturschauspiel ab.

Die Störche sitzen in Gruppen aus Jungvögeln auf den Ästen der hohen Bäume und schreien ungeduldig nach Futter. Noch nie haben wir so viele große Vögel auf so engem Raum gesehen. Und ehrlich gesagt, warum sie sich alle gerade dort zum Brüten treffen, verstehen wir nicht, sind aber sehr dankbar, das so erleben zu dürfen.

Die Reiher sind Einzelgänger, sie mischen sich nur gelegentlich auf den Bäumen mit den Störchen. Die meisten sitzen einzeln auf den Bäumen am Rand des Sees bis hoch hinauf auf die Hügel.

Irgendwann breitet sich Unruhe aus unter den Störchen und dann sehen wir die Eltern kommen. Ein Schwarm aus 60 bis 80 Altvögeln kehrt zurück von den Reisfeldern.

Dort jagen sie gemeinsam Fische für den hungrigen Nachwuchs, wie uns der sehr nette vietnamesische Guide der Franzosen verrät. Wir lernen nicht nur, dass in Reisfeldern große Fischbestände existieren, sondern auch, dass Störche in Vietnam keine Frösche essen. Über meine Frage musste der vogelkundige Guide herzhaft lachen. Ich fand sie gar nicht so doof 🙂

Beeindruckt von diesem Naturschauspiel beenden wir unseren Besuch in Thung Nham nicht, ohne nochmal in den Blumengärten vorbeizuschauen. Die gepflegte Anlage mit ihren vielen verschiedenen bunten Blüten bringt Licht und Farbe in den trüben grauen Tag, an den wir ganz sicher noch oft und gerne zurückdenken werden, auch wenn wir bis auf die Unterhose nass sind.

Weil wir bekanntermaßen Kontraste lieben, radeln wir danach ins Zentrum von Nimh Binh, machen einen kurzen Bummel über den Markt und lassen uns dann in einem der zahllosen Lokale an der Hauptstraße nieder,

um mal wieder eine leckere Kleinigkeit zu essen. Christoph überrascht mich, denn er zieht ein Bratnudelgericht mit Meeresfrüchten einer Pho vor, während ich die zweite Gemüsesuppe des Tages vertilge.