Heute fahren wir nach Trang An. Ein freundlicher Fahrer holt uns am Hotel ab und einmal mehr schwanken wir zwischen Atemanhalten und bewunderndem Respekt. Dieser Mann bleibt bis zu unserem Ziel nicht einmal stehen. Er fährt, egal was von von vorne, von der Seite oder von hinten kommt. Mit dem größtmöglichen Selbstvertrauen nähert er sich den Hindernissen und ist anscheinend fest davon überzeugt, dass sich diese in Luft aufgelöst haben, wenn er sie erreicht. Das gelingt zwar nicht immer, trotzdem kommt er irgendwie immer durch und das fast ohne Bremsen, definitiv ohne anzuhalten.
Nach Trang An fahren wir, weil dies der beste Ausgangsort für eine Bootstour durch die sogenannte „trockene Halongbucht“ sein soll. Im Hotel hat man uns den Tipp oder besser dringenden Rat gegeben, nicht zu spät loszufahren, denn ab Mittag würde es voll, wenn die Tagestouristen aus Hanoi kämen. Auch wenn im Moment nicht wirklich viele Touristen in der Gegend sind, solche Hinweise beherzigen wir und sind um kurz nach 10 am Ziel.

Was uns dort erwartet, hätten wir nicht mal geahnt. Mitten in der Pampa ein riesiger aus Holz gebauter Gebäudekomplex mit Cafés, Restaurants, Souvenirshops und diversen Ticketschaltern, überall wuseln Menschen herum, Touristen wie Beschäftigte und umgeben wird das Ganze von einem gigantischen Parkplatz. Umdrehen ist keine Option, aber unsere Vorfreude auf den heutigen Ausflug sinkt.
Wir sollen Tour Nummer Drei buchen, so die Ansage unseres Hotels, aber nicht mal das ist ein unkomplizierter Vorgang, denn am Ticketschalter gibt es Combo 1 bis 12. Immer sind es Kombinationen aus verschiedenen Stationen und wir sind uns unsicher, ob wir das wirklich wollen. Combo 3 beinhaltet die Tour zu einem Golfplatz. Spätestens jetzt wissen wir beide, dass entweder die Empfehlung Unsinn ist oder wir am falschen Schalter stehen. Letzteres erweist sich als richtig. Am Nachbarschalter werden einfach nur Bootstickets verkauft. Ein Ticket für alle Touren, die Entscheidung für Tour 1,2,3 trifft man direkt am Bootssteg.

Um dort hinzukommen, quert man die Landstraße, indem man durch eine Unterführung nutzt. Diese ist nicht nur an beiden Enden mit metergroßen Bildschirmen ausgestattet, auf den junge Damen in vietnamesischen Trachten tanzen, es dröhnt auch brüllend laut vietnamesische Schlagermusik durch den mit Lampions geschmückten Gang. Unser beider Assoziation: „Disney World“ für chinesische Touristen. Worauf lassen wir uns hier ein. Auf der anderen Straßenseite angekommen, wieder Gastronomie, ein Schmuckgeschäft, etwas, das sich Galerie nennt. Dann ein überdachter Einlassbereich in den Bereich der Bootsabfahrten mit durch Holzgitter abgetrennten Spuren und einem Drehkreuz samt Ticketscanner am Ende. Der blinkt auch pflichtschuldigst, unsere QR-Codes werden trotzdem nicht gescannt, stattdessen werden die Papierkärtchen ganz altmodisch eingerissen. Wenn Vietnam auf Disney trifft, denken wir und freuen uns, dass die Perfektion hier doch noch ihre Lücken hat.

Dann aber funktioniert wieder alles wie am Schnürchen. Freundliche „Einweiser“ fragen uns nach unserer Tournummer. Wir antworten brav „Nummer Drei“ und finden uns wenige Minuten später wieder in einem flachen Metallruderboot, gemeinsam mit einem französischen jungen Paar, das die gleiche Wahl getroffen hat. An Bord noch schnell Schwimmwesten anziehen, dann geht es los, um uns herum 20, vielleicht 30 andere Boote. es wird gelacht, laut gerufen, die Ruderinnen halten, während sie mit kurzen Schlägen die Kähne erstaunlich schnell fortbewegen, noch ein Schwätzchen unter Kolleginnen und wir wissen noch immer nicht, worauf wir uns hier eingelassen haben. Und wir fragen uns, warum wir so zeitig losfahren sollten, denn leer ist es hier wirklich nicht.
Nach wenigen hundert Metern biegen die ersten Boote ab, kurz danach folgt der zweite Schwung und nimmt einen Linksabieger. Und plötzlich wird es ruhig. Der Tross der Boote hat sich auseinandergezogen, die Stimmen werden leiser, die Felswände um uns herum höher. Man hört nur noch die, mit gedämpfter Stimme geführten, Gespräche auf dem eigenen Boot und das beruhigende Platschen der Ruder auf dem glatten Wasser.

Christoph kann sich nicht entscheiden, ob er eher einen Saurier oder den Riesenaffen Kong hinter der nächsten Flußbiegung erwarten soll. Alles wirkt so friedlich, wie in der Anfangsszene von Jurassic-Park.
Es ist schlicht und einfach atemberaubend schön, und das, obwohl der Himmel voller tiefer grauer Wolken hängt und es immer mal wieder leise vor sich hin nieselt.

Noch am Morgen hatte unser Hotelier gesagt, es sei besser bei diesem Wetter nach Trang An zu fahren als bei Sonnenschein, es sei „schöner“! Jetzt verstehen wir, was er meinte, denn nur bei diesem Wetter hängt der Nebel mystisch zwischen den Hügeln und verbreitet diese ganz besondere Atmosphäre. Auch während es beim Einstieg in die Boote noch frisch war, ist es jetzt auf den verschlungenen Wasserwegen durch das Naturschutzgebiet plötzlich warm und windstill.
Eine willkommene Abwechslung bieten die insgesamt drei Höhlen, die wir durchfahren und die Tempel, die hier irgendwo ins Nirgendwo gebaut wurden.


Für Klaustrophobiker sind die Höhlen, die mit dem Boot durchfahren werden nichts, denn an vielen Stellen müssen wir den Kopf kräftig einziehen um unbeschadet hindurchzugleiten, obwohl unsere Bootsführerin mit schlafwandlerischer Sicherheit jede „Klippe“ bestmöglich umfährt.




Erst an den Tempelanlagen merkt man wieder deutlich, dass man nicht alleine an diesem so besonderen Fleckchen Erde unterwegs ist. Und mir wird mal wieder klar, dass ich deutlich zu wenig über den Buddhismus weiß und so kann ich mir die Tempel nur anschauen, ihre Pracht und ihre teils lustigen Gottesgaben bewundern (auf einem Altar standen neben Pomelos, einem Teller voller Geld und eingeschweißten Keksen auch Bierdosen 🙂 ), kann aber die Abbildungen nicht verstehen und die Symbole nicht einordnen. Das muss ich irgendwann mal ändern, wenn ich auch weiterhin in solche Länder reisen will.




Besonders überrascht sind wir in der zweiten Tempelanlage. dort haben sich einige Chinesen zum Gebet niedergelassen, es wird leise getrommelt und mit einer Art Klangschale ziemlich enervierendes „Geläute“ erzeugt. Soweit, so interessant, wirklich überrascht bin ich, als ich sehe, dass eine der Gläubigen mit Zigarette im Mundwinkel im Tempel auf dem Boden sitzt. Christoph würde sagen „Hier geht alles“.





Nach drei Stunden sind wir zurück am Ausgangspunkt unserer Tour und hier, auf der vom Start nicht einsehbaren Rückseite, wird das ganze Ausmaß dieser touristischen Attraktion deutlich. Geparkte Boote soweit das Auge reicht! Wir mögen uns nicht vorstellen, was hier auf dem Wasser los ist, zur Mittagszeit, an einem Tag in der Hochsaison.
So froh wir sind, dass wir das nicht erleben müssen, so froh sind wir auch, dass wir uns von dem ersten Trubel nicht haben abschrecken lassen. Dieses wunderschöne und einzigartige Gebiet ist völlig zurecht Welt-Natur- UND Kulturerbe. Dass es so viele Menschen sehen und im wahrsten Sinne „erfahren“ wollen, ist gut nachvollziehbar.


Fahren ist ein gutes Stichwort, denn unser freundlicher Fahrer wartet bereits auf uns, um uns zurück zu bringen, und wieder hält er nicht einmal, bis wir im Hof unseres Hotels ankommen.
Damit war unser zweiter Urlaubstag noch nicht zuende, aber davon später mehr 🙂