Vietnam 2024 – Licht und Schatten in der Ha Long Bucht

Ich frage mich gerade, ob die gute alte Weisheit womöglich doch gilt, dass man Dinge, die man als besonders schön erlebt hat, nicht wiederholen sollte.

Bei unserer letzten (und ersten) Vietnamreise vor 7 Jahren hatten uns Mona und Marlon einen 3-Tage/2-Nächte-Trip auf einem kleinen Schiff, nur für uns zwei alleine, eben nicht in der Ha Long, sondern in der Bai Tu Long-Bucht, geschenkt. Weil es dort „weniger crowded“ sei, sagten die Kinder. Heute muss ich Ihnen zu 100% recht geben, dort ist es sogar deutlich weniger „crowded“!

Wie auch immer, weil es damals so schon war, wollten wir das gerne noch einmal machen. Unser Schiff von damals war bereits ausgebucht und ein anderes in der Bai Tu Long Bucht konnte ich nicht finden. Deshalb haben wir uns für einen Anbieter in der Ha Long Bucht entschieden. Emeraude Cruises heißt die Firma und man kann nur sagen, die fünf (!) Männer hier an Bord lesen uns wirklich jeden Wunsch von den Augen ab, die Kabine ist toll, das Essen lecker,das Schiffchen ist zwar in die Jahre gekommen, man sieht es ihm aber nur von außen an, kurz es könnte eigentlich nicht besser sein.

Aber eben nur eigentlich, denn an einem Fakt kommt man nicht vorbei: der Ha Long-Bucht wird zu viel zugemutet. Zu viele Schiffe, teils mit 50 Kabinen, zu viel Musik, weil insbesondere die größeren Schiffe abends Karaoke-Parties veranstalten, zu viel Müll, weil es noch immer zu wenig Bewußtsein für die gigantische Besonderheit dieses Fleckchens Erde gibt, nicht bei einigen Touristen und auch wohl nicht bei einigen Einheimischen. Andere haben dies anscheinend erkannt. Denn inzwischen ist die Zahl der Schiffe hier auf 500 begrenzt worden. Wer ein neues zu Wasser lässt, muss ein altes dafür entsorgen oder woanders hin verkaufen. Auch ist Ein-Weg-Plastik inzwischen auf den Schiffen verboten, kontrolliert wird es aber unserer Beobachtung nach nicht. Und auch die Ankerplätze sind inzwischen strenger kontrolliert, was sicher Sinn macht, aber das einsame Erlebnis irgendwo zwischen den einzelnen Inseln zu ankern unmöglich macht.

All das sind bitter notwendige Maßnahmen, die den schwierigen Spagat versuchen zwischen den touristischen und geschäftlichen Interessen einerseits und den Ansprüchen an ein UNESCO-Weltnaturerbe andererseits. Dieser Massentourismus in eines der sieben Naturweltwunder schafft Tausende von Arbeitsplätzen, sichert vielen Familien das Einkommen und ist eines der wichtigsten Argumente für viele Touristen, überhaupt nach Vietnam zu reisen, aber wenn es so weitergeht, ist die Schönheit der Ha Long-Bucht irgendwann Geschichte.

Besonders erschreckt hat mich, dass unser Guide uns heute erzählte, dass derzeit „nur wenige Boote“ unterwegs seien. Der Tourismus habe sich nach Covid noch „nicht wieder erholt“. Ich mag mir garnicht vorstellen, wie es vor Covid war!

Heute besuchen wir eine kleine Insel, die praktisch ausgehöhlt ist. Drum Cave nennt sich diese „Höhle“. Man steigt ein paar Stufen hinauf und steht in einem „Saal“, von oben ragen Stalagtiten in den riesigen, nach zweiten Seiten offenen Raum. In den Grund wurde ein hölzerner Boden eingebaut, in einer Ecke steht eine dunkle Holzbar. Und gleich daneben türmen sich 50 Stühle, Tische, Kochgerätschaften, Plastikeimer und reichlich weiteres Zeug. Vor Covid wurden hier Lunchs und Dinners für Schiffsgäste veranstaltet, aber der Unternehmer hat aufgegeben. Was bleibt ist ein riesiger Haufen Müll, für den sich niemand zuständig fühlt. Müssten nicht wenigsten solche Sünden einfach von irgendwem bereinigt werden?

Ein anderes Beispiel. Heute besuchen wir eine kleine Insel mit einem hübschen Strand. Mal kurz baden, lautet das Angebot, das ich ablehne (wer mich kennt, weiß, dass 21 Grad Wassertemperatur für mich keine Option sind 🙂). Als wir ankommen, sind sechs Touristen mit dem Kajak dort und gerade auf dem Rückweg zu unseren Booten. Wir sind also alleine. Es ist eigentlich wunderschön, doch was einem sofort ins Auge sticht: Am höchsten Ort des Strands liegt ein Riesenhaufen Müll. Im ersten Moment denke ich noch „Guck mal, hier wird der Müll zusammengesammelt und sicher ganz bald abgeholt“, bis ich entdecke, dass der Müll vor allem aus aufgerissenen schwarzen Müllsäcken besteht. Hier wurde also mal Müll eingesammelt, aber leider nie abgeholt. Am Ende der Bucht ist eine große Einkerbung in den Felsen. Groß genug um mit 15 Menschen darin zu stehen. Doch das wird niemand tun, denn der ganze „Schacht“ ist voll mit Müll, das Meer hat die Ölkanister sogar nach oben auf die Gesteinsvorsprünge gespült. Warum kommen nicht wenigstens die, die vom Tourismus hier leben, auf die Idee, solche Schandflecken zu beseitigen??? Vielleicht sollte man die ganze Bucht für zwei Jahre sperren, und alle die auf den Booten arbeiten, gut bezahlen für das Großreinemachen. Bis man die knapp 2000 Inseln vom gröbsten Mist befreit hat, wird man diese Zeit benötigen.

Ich will überhaupt keine flammenden Reden halten und eine Lösung habe ich auch nicht, aber ich würde diesen Ort einfach so gerne gerettet sehen. Ganz naiv…..einfach gerettet.

Unsere Konsequenz ist klar. Wenn wir nochmal nach Vietnam kommen sollten, wird die Ha Long-Bucht nicht auf unserer Reiseroute stehen, aber vielleicht schauen wir noch einmal bei der kleinen Schwester Bai Tu Long vorbei?

Und wir werden immer dankbar sein, dass uns die Kinder diesen ersten Trip damals ermöglicht haben, denn er bleibt unvergessen.

Soviel zum „Schatten“, aber natürlich hat unser Ausflug auch ganz viel „Licht“.

Nicht umsonst ist die Halong-Bucht Welt-Naturerbe.

Wahrscheinlich nirgendwo sonst gibt aus auf so engem Raum so viele Höhlen. Und auch wenn wir in den vergangenen Tagen schon einigen besucht haben, so läßt doch die Faszination für diese Wunderwerke der Natur nicht nach. Jahrhundertelang haben sich Bildhauer in aller Welt damit herumgeschlagen fließende Stoffe abzubilden, die Natur macht es einfach. Wunderschön und wie von Zauberhand. Gut, es dauert Generationen, bis eine Höhle so aussieht, wie wir sie jetzt besuchen können, aber wie toll, dass wir das erleben dürfen.

Wenn Mensch und Natur aufeinandertreffen, erleben wir an einem anderen Ort der Halong-Bucht. Wir besuchen eine Pearlfarm, die Technik, mit der hier wunderschöne Zuchtperlen entstehen, ist ganz spannend. Für die, die wie ich, nicht wußten, wie das funktioniert, hier die laienhafte Erklärung. Erst läßt man die Austern bis zu einer bestimmten Größe wachsen, dann wird eine feine Membran, die die Muschel verschließt, von Hand entfernt und in kleine Stücke geteilt, anschließend wird eine kleine Perlmutkugel ins Innere der Auster eingesetzt und wieder mit den kleinen Membranteilen verschlossen. Dann läßt man die Austern (und damit die Perlen) in einer Art Korb wachsen. Bis die Perlen „geerntet“ werden vergehen 5 bis 8 Jahre. Und weil die Vietnamesen geschäftstüchtig sind, können die Ergebnisse ihrer Zucht auch gleich in einem schwimmenden Shop erworben werden.

Genau diese Geschäftstüchtigkeit kommt aber auch uns, vor allem Christoph zugute. Auf der Pearlfarm bricht plötzlich sein Brillenbügel ab, was bleibt, ist so etwas wie ein doppeltes Monokel. Eine Ersatzbrille hat er nicht dabei, insofern ist dies für noch zwei Wochen Reise keine befriedigende Lösung. Sofort bemühen sich unser Guide Minh und unser Kapitän um Hilfe. Beide bemühen sich erfolglos um Klebstoff und so verlassen wir die Pearlfarm in der Überzeugung, frühestens in Hanoi etwas an dem Zustand von Christophs Brille ändern zu können. Weit gefehlt! Auf dem Heimweg zu unserem Schiff steuert unser Kapitän auf eine Gruppe von Fischerbooten zu und wir fragen uns, warum ausgerechnet Fischer Klebstoff haben sollten.

Bis wir begreifen, dass sie alle Halt machen an einem etwas größeren Boot, einem schwimmenden Supermarkt, in dem es alles erdenkliche gibt, eben auch Klebstoff. Zurück auf unserem Schiff ist die ganze Crew mit Christophs Brille beschäftigt, Klebstoff alleine funktioniert nicht, und so wird der Brillenbügel mit feinen Zahnstochern verstärkt. Weil das Metall zu glatt ist, wird die Konstruktion mit etwas Blumenerde oder Kaffeepulver ergänzt. Am Ende ist die Konstruktion zwar filigran, aber sie hält und Christoph hat – zumindest bis Hanoi – wieder eine Brille.

Für den Abend, unseren zweiten und letzten an Bord, hat Minh eine kleine Party mit der Crew angekündigt. Doch erst ruft unser Koch zur Fortbildung. Gemeinsam mit ihm rollen wir Frühlingsrollen mit Hühnchen und Krabbenfleisch. Außerdem gibt er uns einen kleinen Einblick in die Kunst des Food-Carvings. Christoph stellt sich dabei besonders clever an, ihm kommt eindeutig seine Routine mit kleinen scharfen Messern zugute. Am Ende lassen unsere Kreationen erkennen, dass es Blumen sind, von der Kunstfertigkeit unseres Kochs sind wir aber meilenweit entfernt.

Nach einem Sundowner werden wir freundlich aber bestimmt in unsere Kabine geschickt und nach kurzer Zeit zurückgeholt aufs Sonnendeck. Der Tisch ist verschwunden, stattdessen liegt auf dem Boden eine große quadratische Tischdecke, in der MItte dampft ein Hotpot und rundherum ist fast die gesamte Fläche ausgefüllt mit Tellern voller verschiedener Fleischsorten, Gemüseplatten, Fischbällchen, Crevetten, Tofu, Soßen und natürlich unsere selbstgerollten und inzwischen frittierten Frülingsrollen. Rundherum sitzt unsere gesamte Crew und strahlt uns voller Vorfreude auf das Essen an. Dazu wird selbstgebrannter Reiswein angeboten und bei eigentlich jedem Schluck angestoßen. Auf das Schiff, auf unsere Reise, auf die Freundschaft, auf die Familie, das Glück und sogar auf das 7:1 gegen Brasilien und auf Beckenbauer. Es wird ein lustiger, leckerer und feuchtfröhlicher Abend, auch wenn wir beide am Schneidersitz scheitern und irgendwie etwas verdreht auf den Boden sitzen und hoffen, dass es unsere Knie und Rücken in dieser Position aushalten, bis die Tafel aufgehoben wird. Aber der Muskelkater ist programmiert 😊. Am Ende ist fast alles aufgegessen und wir sind alle mehr als satt. Beendet wird der Abend mit einem weiteren Versuch Tintenfische zu angeln und diesmal ist er von Erfolg gekrönt. Zwei „Squids“ ziehen die Jungs aus dem Wasser, bevor wir ins Bett gehen.

Am Morgen bleibt uns noch Zeit für ein ausführliches Frühstück, bevor wir unsere Sachen packen und zurückkehren in den Hafen von Halong, wo bereits unser Fahrer warten. Der gleiche, wie auf der Hinfahrt und damit der Mann, mit den Christoph eine wirklich skurrile Geschichte erleben durfte 😆, aber die muss er euch selbst erzählen.