Neuseeland 2019 – Tongariro Alpine Crossing – Urlaub ist nicht immer Erholung

Halb fünf aufstehen, um 5:25 Uhr den Bus besteigen – das ist normalerweise nicht meine Art Urlaub zu machen. Heute aber muss es ein, denn wir wollen diese Wanderung unbedingt machen. 19,5 Kilometer, die in den Reiseführern als eine der schönsten, wenn nicht DIE schönste Ein-Tages-Gebirgswanderung der Welt beschrieben werden. Überall wird man gewarnt, dass diese Tour nicht zu unterschätzen sei, dass man ohne passende Kleidung und Schuhe nicht losgehen sollte und auch unser Busfahrer nimmt nur Wanderer mit ordentlicher Regenjacke mit. Im Bus erfahren wir und etwa 15 andere unausgeschlafene Touristen, dass es am Morgen etwas regnen könnte, anschließend solle es aber, wie in den letzten Tagen auch, aufreißen und sehr warm werden. deshalb der frühe Start, damit man 1. nicht in großen Horden unterwegs ist und 2. das wärmste Stück der Strecke, weil dort das Lavagestein besonders die Hitze reflektiert, vor der Mittagszeit hinter sich hat

Diese Wanderung, bei der wir noch nicht wirklich wissen, was uns erwartet, führt uns zwischen dem Mount Ngauruhoe und dem Mount Tongariro hindurch von der West- zur Nordseite des Gebirges, dazwischen quert man das zentrale Vulkanplateau.

Bei unserer Ankunft am Startpunkt ist es noch immer dunkel, Unser Grüppchen macht sich auf den Weg. Erst geht es eine Weile geradeaus, während es langsam heller wird. Am ersten Anstieg kann man das was uns umgibt bereits als Morgendämmerung bezeichnen, auf einen schönen Sonnenaufgang sollten wir aber nicht hoffen, denn wir laufen durch dicke Nebelfelder. Die Landschaft um uns herum – soweit wir sie im Nebel erkennen können, ähnelt einer Mondlandschaft. Links und rechts die Berge, um uns herum Geröll und erkaltete Lavaströme.

Einmal geht mir kurz durch den Kopf, dass dies eine AKTIVE Vulkanlandschaft ist, die lediglich ruht und jederzeit ausbrechen könnte. Ich verwerfe den Gedanken schnell wieder und konzentriere mich lieber wieder aufs Wandern.

Es kommt der erste große Anstieg. Wie hoch er wirklich ist, können wir nur erahnen, denn auch der Weg wird im oberen Teil von Nebel verdeckt. Vielleicht gut so, sonst wären wir möglicherweise umgedreht :-))

Die ersten zwei Drittel über einen befestigten Weg, mal Holzsteg, mal Holztreppe, sind geschafft. Mit dem letzten Drittel tun wir uns schwerer. Jetzt muss ein bisschen geklettert werden. Absolut machbar, aber für uns, die wir weder in Kletterübung noch im besten Konditionszustand unterwegs sind, ein anstrengendes Unterfangen. Auf dem Kraterrand des Red Crater ist es windig und kalt noch dazu. Und leider bekommen wir auch vorerst von diesem schönsten Vulkankrater nichts zu sehen, denn auch er versteckt sich im Nebel. Nun geht es noch einmal ein Stück hoch, diesmal sind es vor allem Treppen, die wir langsam, aber beharrlich hochstiefeln, bei 150 Stufen habe ich aufgehört zu zählen. Wir sind uns einig, dass wir Treppen steigen noch blöder und anstrengender finden als klettern, weil sie uns den Lauf-Rhythmus vorgeben.

Oben angekommen, reißt der Himmel ein erstes Mal vorübergehend ein bißchen auf und gibt den Blick frei auf den Red Crater mit seinen bizarren Gesteinsformationen. An einer Seite wirkt es, als sei im Krater eine Schlucht eingestürzt. Schade, dass wir keinen Vulkanologen kennen, der uns erklären kann, was da passiert ist. Es geht weiter über eine weites, grauweißes Plateau. So in etwa stelle ich mir einen Spaziergang auf dem Mond vor, nur dass hier wenigsten ein paar genügsame Moose wachsen und sogar vereinzelte kleine Blümchen. Wir legen unsere erste kleine Pause ein, schliesslich haben wir noch nichts gefrühstückt und vielleicht reißt es ja weiter auf während wir warten. Gestärkt, aber noch immer im Nebel, marschieren wir weiter.

Nochmal müssen wir eine ordentliche Steigung hinauf. Es muss wieder geklettert werden, aber mit zwei Butterbroten im Bauch geht es deutlich besser.

Nachdem wir auch das hinter uns gebracht haben, werden wir kräftig belohnt, oder muss man sagen „reich beschenkt“? Wie auf Kommando verschwindet der Nebel, über uns zeigt sich blauer Himmel und Sonnenschein und vor uns breitet sich eine einfach nur atemberaubend schöne und faszinierende Landschaft aus. Im Vordergrund und nur wenig unter uns, drei, beinahe künstlich wirkende, türkisblaue Seen und rundherum dampft es aus dem Berg. Im Hintergrund ein weiterer großer See. Noch einmal wird mir klar, dass dies ein aktiver Vulkan ist, keiner der regelmässig ausbricht, aber hier brodelt es noch immer unter der Oberfläche.

Nun der erste Teil des Abstiegs. Dieser ist nicht befestigt, den Hang muss man fast so hinunterrutschen, wie man eine steile Skipiste versucht, unbeschadet zu bewältigen. Hier bin ich einmal mehr froh, meine Wanderstiefel anzuhaben. Andere, die in Turnschuhen unterwegs sind, quälen sich ziemlich, manche machen aus dem Abstieg auch eher ein Absitzen und rutschen auf dem Hosenboden durch Lavagestein und schwarzen Sand.

Mit Blick auf die Emerald Lake legen wir die nächste Pause ein. Anschließend durchqueren wir den größten der Krater. An den unterschiedlichen Farben und Formen des Untergrunds kann man erahnen, welche Massen von Stein und Lava hier in Bewegung waren. Eine große schwarze Fläche im Zentrum der riesigen Caldera wirkt wie eine Verschluss, wie ein Pfropfen, der verhindern soll, dass hier noch einmal Magma austritt.

Wieder geht es nach oben, zurück auf den Kraterrand. Diesmal ist es nicht so steil, aber der Anstieg zieht sich, und wieder werden wir belohnt, Denn nun liegt er direkt vor uns, der Blue Lake.

Nach all diesen Schönheiten der Natur, von denen wir nicht genug bekommen können, haben wir noch ein paar Stunden Zeit das Gesehene zu verarbeiten, denn bis ins Tal sind wir noch einmal gut drei Stunden unterwegs. Das ständige Abwärtslaufen ist irgendwann fast unangenehmer als das Klettern. Mir tun die Zehen und die Ballen weh. Als es auf den letzten sechs Kilometern dann immer wieder auch kurze Streckenabschnitte aufwärts geht, breche ich trotzdem nicht in Jubelschreie aus 🙂

Das letzte Stück der Strecke geht durch eine Art Regenwald, mittendrin fliesst ein rauschender Bach, aber so richtig haben wir dafür heute keinen Blick mehr.

Im Moment freuen wir uns nur noch darauf die Füße hochzulegen.

Und genau das machen wir dann auch nach unserer Rückkehr auf den Campingplatz, einen ordentlichen Nachmittagsschlaf. Wir gehen früh essen und fallen schon um 9 Uhr wieder ins Bett. Für heute sind wir wirklich bedient.

Es war wunderschön, echt anstrengend und wir sind ein bißchen stolz auf uns, dass wir das mit so viel Anstand und bei weitem nicht als Letzte geschafft haben.

Wenn irgendwann wieder jemand vom Tongariro Alpine Crossing schwärmt, können wir mitschwärmen 🙂

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